Freitag, 25. April 2014

Vorhalte und Äußerungen

Reibeholzspiele und "redaktionelle Fehler"


Der zweite Verhandlungstag

Fortgesetzt wird mit der Einvernahme von Mag. K. durch den Staatsanwalt.

Mag. K. wirkt an sich zu Beginn selbstbewusster als am Vortag: fast ein wenig trotzig und wird im Zuge der Einvernahme von seinem Verteidiger auch einmal in die Sachlichkeit der Thematik - nach einer überraschend emotionalen Antwort an den Staatsanwalt - zurückgeholt.

Es wird sehr penibel in äußerst kleinen Schritten vorgegangen. Der Vorsitzende ergänzt die Fragestellungen und achtet sehr genau auf Waffengleichheit und Fairness und auch darauf, dass langsam Punkt für Punkt vorgegangen wird. Und er zeigt einmal mehr, dass er sich sehr penibel in den Akt eingelesen hat.

Primär geht es erst um die Kostenschwerpunkte (EDV und Personal verursachten lt. Mag. K. die höchsten Kosten letztlich bei einer Marge von rund 20%), um den Abrechnungsmodus mit den Produktgebern und um die in diversen Verträgen mit Produktgeber mutmaßlich sehr problematisch scheinenden Gewährleistungen, die die Luck24 übernommen hat.

Dies wird von Mag. K. als (gemeint offenbar fahrlässiger…) redaktioneller Fehler, der bei Übernahme von Vertragsmustern passiert ist, erklärt (Anmerkung: der Meinung eines Sachverständigen nach ist das natürlich ein Fehler, der betriebswirtschaftlicher Selbstmord sein kann, abgesehen davon, dass man sich gerade die crucial points der Verträge, insbesondere die Verpflichtungen, die man eingeht, als Geschäftsführer schon sehr genau anschauen muss – Stichwort Sorgfaltspflicht.).

Danach steht das Thema „Kontrolle durch einen Notar“ am Programm: 
Mag. K. behauptet, dass dies in keinem der Gesprächsleitfaden vorgekommen wäre, was allerdings durch Vorhalt diverser Aktstücke vom Staatsanwalt umgehend widerlegt werden kann. Für diese Kontrolle (in einem Fall ist die Kontrolle durch einen Rechtsanwalt anstatt eines Notars vorgesehen) sieht Mag. K. offenbar eher die Produktgeber und nicht sich selbst oder die Luck24 als verantwortlich an.

Danach erfolgt eine umfangreiche Aufarbeitung der so genannten „Reibeholz“ Spiele, die ursprünglich offenbar vom Produktgeber THF AG „erfunden“ und zur Programmierung in Auftrag gegeben worden seien.

Zwischen der TFH AG und der Luck24 war scheinbar vereinbart, dass eine Recherche nach tauglichen „besten“ mindestens 200 Spielen im Internet gar nicht erst erfolgen müsse – so der Vorhalt - sondern durch die Luck24 ausschließlich eine Eintragung in von der TFH AG vorgegebene und von ihr über einen Subunternehmer geschaffene Spiele erfolgen soll.

Dabei stellt sich natürlich neben der Frage des Leistungsumfanges der Luck24 an sich u.a. auch die Frage nach der Notwendigkeit z.B. eines Reportingsystems, da der Produktgeber ja vorweg weiß, in welche (nämlich in seine selbst vorgegebenen) Spiele die Luck24 die Kunden eintragen würde. Dieses System wurde dann laut Ankläger auch bei einer gewissen Anzahl anderer Produktgeber zur Anwendung gebracht.

Nach Aussage Mag. K. schien ihm das zu Anfang unbedenklich, er hätte erst in weiterer Folge bemerkt, dass die Preise offenbar minderwertiger als die recherchierten wären und es unter anderem deshalb in diesem Zusammenhang zu überdurchschnittlich hohen Beschwerden und Polizeianfragen - vor allem auch bei den Produktgebern kommen würde bzw. kommen könnte.
Daher hätte er, weil man „nachher ja immer gescheiter“ sei, diese Praxis umgehend eingestellt. Mag. K. betont, dass er, nachdem er entsprechende nicht gerade erfreuliche Erfahrungswerte mit dieser Praxis sah, eine erhöhte Anzahl von Behördenanfragen bereits präventiv ausschließen wollte. 

Diese überaus interessante Darstellung hat auch Eingang in die Protokollierung gefunden...

Der Staatsanwalt legt in diesem Zusammenhang u.a. Korrespondenz zwischen den Mitarbeitern Mag. K.s untereinander, die mindere Qualität der Preise betreffend vor, wobei sich die Frage stellt, ob Mag. K. davon gewusst hat oder nicht (Vorsitzender: Sie kennen den Satz: „Vertrauen ist gut Kontrolle ist besser….“); evident ist auch, und das wird vom Vorsitzenden festgestellt, dass die Luck24 die Praxis der Eintragung in vorgegebene generierte Spiele zwar zu einem gewissen Zeitpunkt wieder beendet, für die TFH AG jedoch auf deren Auftrag - trotz Wissens um die Problematik - mindestens noch ein halbes Jahr weitergeführt hat.

Hier noch ein Artikel der Kollegen von der "Krone":


Quelle: Kronen Zeitung Printausgabe vom 24.04.2014
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Zur Erläuterung - Beschäftigen wir uns kurz mit der TFH AG:

In der Anklageschrift zum gegenständlichen Prozess wird vom Ankläger ab Seite 100 auf die TFH AG unter dem Kapitel „F. AUSLÄNDISCHE ERMITTLUNGSVERFAHREN“ ausführlich eingegangen.

Neben einer Aufzählung der „Produkte“ die von der TFH AG beworben und vertrieben wurden, werden auch die Strukturen in der Geschäftsleitung und im Vertrieb aufgelistet. Unter anderem wird die Luck24 als Abwickler der Produkte genannt.

Unter „Gegenstand der Ermittlungen“ wird unter anderem aufgeführt, dass zahlreiche Anzeigen zum Inhalt hatten, dass eine Einwilligung zur Teilnahme an den Gewinnspielen (Produkten) gar nicht vorlag. Dies wird auf eine sogenannten „Negativverkauf“ zurückgeführt.

Definition „Negativverkauf“ in der Anklageschrift:

Von den Mitarbeitern der Callcenter wurden Personen (zumeist im Rahmen einer Kaltakquise, d.h. Ohne vorher erfolgter Zustimmung) angerufen, deren Auswahl über ein Computerprogramm erfolgt, wobei gleichzeitig in einer Computer-Maske Daten dieser Personen erscheinen. Zeil der Anrufe war es, die angerufenen Personen zur verleiten, die Kontoverbindung preiszugeben. Eine Möglichkeit bestand darin, zu behaupten, der Angerufene nehme seit längerem gratis an einem Gewinnspielservice teil. Da diese Dienstleistung nun aber in die kostenpflichtige Phase komme, könne der Angerufene entscheiden, ob er das Service – gegen Entgelt – weiter in Anspruch nehmen oder zum nächstmöglichen Termin kündigen wolle, wobei der nächstmögliche Kündigungstermin erst in x-Monaten sei. Der (scheinbare) Kunde antwortet darauf in 99% der Fälle, er habe nicht an einem Gewinnspiel teilgenommen und möchte dies auch in Zukunft nicht tun. Daraufhin erklärte der Call-Agent, dass er in einem solchen Fall die Kündigung sogleich telefonisch aufnehmen werde.


Etwas später folgt ein zweiter Anruf, der als Quality Call (in Folge QC) bezeichnet wird und vorgeblich primär den Zweck erfüllen soll, die Zufriedenheit des Kunden und den Ablauf der ersten Unterhaltung zu evaluieren, sowie die erfolgte Kündigung zu bestätigen. Der QC wird unter der Behauptung von „Schulungszwecken“ mit Zustimmung des Gesprächspartners aufgezeichnet. Im Verlauf des aufgezeichneten Gespräches wird der Kunde aufgefordert, die an ihn gestellten Frage bloß mit einem "Ja“ oder „Nein“ zu beantworten. Zudem wird dabei obligatorisch nach den Kontodaten zwecks eines Abgleiches gefragt, weil dies zu einer Kündigung des Abonnements zwingend erforderlich sei, da ansonsten im nächsten Monat ein Teilnehmerbetrag abgebucht werden müsse.In Wahrheit wird das aufgenommene Gespräch derart gestaltet, dass dieses am Ende einen vom Kunden gar nicht intendierten (Anmerkung Redaktion: gewollten) Vertragsabschluss darstellt.


Zu diesem Ergebnis gelangt der Call-Agent, indem er mit sehr schnellem Sprechtempo das Gespräch so führt, dass der Kunde diesem kaum mehr folgen kann und die an ihn gestellten Fragen – im Glauben es handle sich um die von ihm beabsichtigte Kündigung – wie im Vorfeld besprochen mit "Ja" beantwortet und bereitwillig seine Bankverbindung und die Kontodaten bekannt gibt.


Im Falle einer Reklamation, man habe doch keinen Vertrag geschlossen, wird auf die Telefonaufzeichnung verwiesen, die isoliert betrachtet einen Geschäftsabschluss darstellt. (Dies – so die Ausführungen des StA im Eingangsplädoyer zu Beginn dieses Hauptverfahrens –  auch deshalb, da die Aufzeichnung auch kurz vor Schluss des Telefonats beendet wird und somit offenbar nicht das gesamte Gespräch auf der Aufnahme aufscheint.)

Soweit die Definition des „Negativverkaufes“ in der Anklageschrift, beziehungsweise im Eingangsplädoyer des Staatsanwalts.

Weiters führt die Staatsanwaltschaft zur „Geld-zurück-Garantie“ in der Causa TFH AG aus:

Auch die Produkte der TFH AG sahen eine GZG vor. Es war jedoch zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, den Kunden ihren Spieleinsatz tatsächlich zurückzuzahlen. Aus diesem Grund kam man mit den Verantwortlichen der Luck24 überein, die Daten jener Kunden, die die Garantie eingefordert haben, an die TFH AG weiterzuleiten, damit diese zur Umgehung der GZG einen Gutscheinversand vornehmen können.

Das Landgericht Bielefeld verurteilte die Angeklagten in der Kausa TFH AG mit Urteil vom 12.09.2012 wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges zu mehrjährigen Haftstrafen.
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Soweit an Abriss zur TFH AG, die am zweiten Tag immer wieder thematisiert wurde.

Die Verhandlung wurde nach Ende des heutige Tages vertagt – die Prozesstermine werden wir bekannt geben.