Donnerstag, 24. April 2014

Der Prozessbeginn

Ich bekenne mich im Sinne der Anklage nicht schuldig!


Der erste Tag in einem aufsehenerregenden Prozess rund um die schweren Betrugsvorwürfe nicht nur gegen einzelne Personen, sondern gegen ein ganzes System der Abzocke.
Ort:
Landesgericht für Strafsachen Wien, Saal 311, 3. Stock





Kurz nach 09:00 Uhr treffen die Beschuldigten ein.

R.F.M. und Mag. S.K. versuchen nach außen hin gelassen, ja sogar ausgelassen freundlich zu wirken. Die Augen und die Körpersprache erzählen aber eine andere Geschichte von Angst auf der einen Seite und gelebter Situationsignoranz auf der anderen. 

(Wir haben die Gesichter der Beschuldigten verpixelt, obwohl beide bereits von sich aus zur gegenständlichen Causa Interviews, bzw. Filmbeiträge geliefert haben und auch eine Namensnennung statt gefunden hat - profil.at und Youtube)





Im Verhandlungsaal türmen sich die Kartons mit Prozessunterlagen und Dokumenten, die die Vorwürfe gegen die beiden Beschuldigten beweisen sollen. Es geht um mehr als 1,2 Millionen Opfer und mehr als 191 Millionen Euro, die in einem Netzwerk aus Scheinfirmen, Stiftungen, Mittelsleuten und "Partnern" (in manchen Kreisen das "Wiener Karussell" genannt) ergaunert worden sein sollen. Alles im Konjunktiv und natürlich gilt die Unschuldsvermutung - wie immer in solchen Fällen.





Vor Prozessbeginn verhalten sich die beiden Beschuldigten völlig unterschiedlich:
Während der eine nahezu gelassen und betont kommunikativ herumsteht, verliert sich der Andere - ähnlich einem in die Enge getriebenen Raubtier - in einem unruhigen Hin- und Hergehen ganz am hinteren Ende des kurzen Ganges zum Verhandlungssaal. Zu unrecht Beschuldigte sehen freilich anders aus...

Allerdings: die Vorwürfe wiegen schwer und die angedrohte Strafe (schon aufgrund der exorbitanten Schadenshöhe: das 3832-fache der 50.000 Euro Grenze für den Vorwurf des schweren Betruges wird angeklagt!) wird im Falle einer Verurteilung das Leben der Beschuldigten nachhaltig ändern. Insofern ist sowohl die gespielte Ruhe, als auch die offensichtliche Panik verständlich - jeder geht halt auf seine Art mit dem Vorwurf um, aber keinen lässt es kalt.






Der Prozess beginnt:
Nach Vereidigung der beiden Schöffen (Laienrichter) erfolgt die übliche Protokollierung der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten. 
Mag. K. gibt an selbstständig und Eigentümer einer Haushälfte zu sein. 

R.F.M. gibt an, er verfüge über ein Monatseinkommen und einige Geldbeträge. Dabei hat er sich - wohl aus Unwissen (oder doch Nervosität?) - einen Fehler geleistet, der nicht uninteressant ist: auf Nachfrage des Richters zu den Vermögensverhältnissen, gab R.F.M. nämlich an, dass er auf dem Girokonto Geld liegen hat und in "der" Stiftung noch einmal rund 600 TEUR. 
Darauf der Richter: das kann nicht sein, denn das Geld in der Stiftung (=eigentümerlose Vermögensmasse, also Geld, dass R.F.M. nicht mehr gehört) gehört Ihnen ja nicht mehr, da sind Sie ja nur Begünstigter. 
R.F.M.'s Antwort: Ja…. 
Richter: Sie sind also Begünstigter der Stiftung und verfügen zusätzlich über 600 TEUR? 
R.F.M.: Ja
Stellt sich für den stillen Beobachter eine simple Frage: Könnte das interessant für die Finanz sein - immerhin gibt es ja ein Verfahren in Liechtenstein wegen des Verdachts der Geldwäsche (Anklageschrift Seite 72)...

Danach trägt der Staatsanwalt die Anklage in einer freien Rede sehr gut vor, so, dass der komplexe Sachverhalt auch für die Laienrichter klar verständlich ist.

Die Entgegnungen der Anwälte waren lau und zeigen auf, wohin der Weg der Verantwortung der Angeklagten gehen wird: 

Mag. K.s Anwalt bezeichnet – rhetorisch weitschweifig – die Anklage grundlegend für völlig substratlos und unschlüssig, so insbesondere auch die Darstellungen in den Gutachten der Gerichtssachverständigen.

M's Anwalt ist hingegen offenbar bemüht eine Art von "Sympathie", oder Verständnis für seinen Mandanten auszuhandeln. Dementsprechend auch sein von ihm selbst auf nur 7 Minuten „Redezeit“ beschränkter  Auftritt. Insbesondere könne man den Aussagen der Zeugen nicht wirklich Bedeutung beimessen, da diese ja fürchten müssten, sich selbst (mit strafrechtlicher Relevanz) zu belasten [sic!]. 
Und außerdem wäre die Meinung der Staatsanwaltschaft, M wäre „faktischer Geschäftsführer“ gewesen, unhaltbar, weil als Mehrheitseigentümer der Gesellschaft (Luck24) hätte er naturgemäß Interesse am Erfolg der Gesellschaft gehabt, da wäre doch ein wenig mitreden durchaus lebensnahe und verständlich… 
Darüber hinaus wäre die eigentliche Intention M's gewesen, seine  Anteile an der Luck24 früher oder später möglichst gewinnbringend zu verkaufen (wie er dies schon in den 1990ger Jahren mit anderen Unternehmen gemacht hatte, so sein Anwalt). Da wäre es ja sinnwidrig die „Braut“ nicht wie eine „blütenweiße Wand“ (O-Ton) dastehend, anzubieten. Malversationen, welcher Art auch immer, wären daher grundsätzlich kontraproduktiv und daher so gar nicht im Sinne seines Mandanten.


(Update: derselbe Anwalt hat sich tags darauf mokiert, dass ein Prozessbeobachter unter den Anwesenden sein soll, der mittels eines Handys Updates des Prozessverlaufes nach außen tragen würde, denn ein Blog - gemeint ist dieser hier - würde beinahe wörtlich zitieren und das könne man sich ja nicht merken...)

Beide Angeklagte bekennen sich, nachdem der Richter natürlich nicht vergessen hat zu erwähnen, dass ein Geständnis naturgemäß "nicht unerheblich strafmindernd" wirken würde, im Sinne der Anklage als „nicht schuldig“. 

Die Presse hat übrigens auch vor Ort und das Portal vol.at hat dazu bereits kurz nach Ende des ersten Verhandlungstages schon einen Artikel online gestellt: 



Der Vorsitzende hat unterdessen Tempo an den Tag gelegt und eher entgegen den Erwartungen mit der Einvernahme Mag. K.s schon heute begonnen. Im Zuge dieser ersten Einvernahme fiel anlässlich der Diskussion eines  Passus der üblichen AGB (in Zusammenhang mit der Geld-zurück-Garantie) die „interessante“ Anregung des Richters an Mag. K., vielleicht doch die Verteidigungslinie zu überdenken. (das gibt zu denken, müsste man meinen)

Der Vorsitzende ist überhaupt extrem gut in den Akt eingelesen und hat die relevanten Punkte gut vorbereitet. Er arbeitet in einem – für die Angeklagten sichtlich enervierenden Tempo – Punkt für Punkt ab. Versucht zum Beispiel Mag. K. abzuschweifen, holt ihn der Richter sehr bestimmt zurück auf den Kern der Befragung.

In der Sache selbst stellen sich viele Punkte für Mag. K. als problematisch und schwer erklärbar dar, insbesondere die „Geld-zurück-Garantie“ scheint schon rein rechnerisch betriebswirtschaftlich höchst problematisch und nicht nachvollziehbar: im besten Falle würde eine tatsächliche Umsetzung wohl eher eine gewollte Insolvenz des jeweiligen Unternehmens, denn einen Gewinn herbeiführen - so die sinngemäß wiedergegebene Feststellung des Vorsitzenden.

Als der Vorsitzende schließlich gegen 14:30 Uhr die Verhandlung bis auf Morgen unterbricht, spürt man beinahe körperlich die Erleichterung, die sich im Saal breit macht.

Der erste Tag in diesem Mammutprozess rund um die Betrugsvorwürfe gegen M und Mag. K. hat jedenfalls Eines gezeigt: 

der Ankläger scheint sehr gut vorgearbeitet zu haben und der Vorsitzende hat sich offensichtlich sehr genau in den Akt eingelesen. Die Angeklagten wirken geplagt und sind auf gut wienerisch sehr rasch schon bei den ersten Fragen "ins Schwimmen" gekommen.


Die weiteren Prozesstermine folgen - die Verhandlung ist öffentlich für Jedermann zugänglich.